Muttersöhnchen

(eine traurige Geschichte)

Das alte englische Landhaus war verlassen. Ein rostiger Eimer lag im Garten, und die Eingangstür lehnte neben dem Rahmen. Das wird eine Menge Arbeit! - dachte ich und trat ein. Blieb aber mit dem Ärmel an der Türangel hängen und legt mich rücklings auf den Boden. Typisch! Bei meinem Glück stürzt gleich das Dach ein. - und RUMMS!!! Saß ich einen halben Meter tiefer. Das morsche Holz der Veranda hatte meinem Gewicht nachgegeben und meinen Entschluß eine Diät zu halten bestätigt. Ich kletterte aus dem Loch und befreite mich von Hausresten die an meiner Strickweste hingen. Schöner Mist! Das Haus hatte die Stabilität eines Knäckebrots und machte sogar die selben Geräusche beim Brechen. Da wäre Mama mit einer Packung Wasa billiger weggekommen. Wenn sie das Haus sieht, bekommt sie entweder einen Tobsuchtanfall oder eine Herzattacke.
Ich bereute den Kauf!
Eine quietschende Autobremse verriet mir, daß Mama eingetroffen war. Ich mochte mich gar nicht umdrehen.
Ein Schrei - dann Stille.
"Charles, das ist genau das was ich gesucht habe! Du bist ein Engel!!!" kreischte sie, und drückte mir Küßchen über Küßchen auf Wange, Mund und Nase und alles was nicht durch Kleidung geschützt war. Mütter! Ich entwand mich ihrer innigen Umarmung und entschuldigte mich mit einem wichtigen Termin bevor sie das Loch in der Veranda entdecken konnte. Seitdem hat sich Mama nicht mehr bei mir gemeldet.

 

Martina Fritsche 1998