Zwei kaputte Leben

Da vorne kam sein heutiges Opfer. Ca. 15-18; lange, braune Haare ... und allein! Als sie auf seiner Höhe war sprang er aus dem Busch und wickelte die Schnur um ihren Hals. Er liebte es, die Verzweiflung in den Augen seiner Spielzeuge zu sehen.
Doch was war das? Kein Hauch von Verzweiflung in ihren Augen! Sie sah sogar erleichtert aus! Sie wehrte sich noch nicht mal!!!
Er lockerte seinen Griff. "Bitte töte mich!" Ihre Stimme war kaum zu hören und ihr Gesicht nahm einen flehenden Ausdruck an. Er wollte fester zuziehen, aber er konnte es nicht. Zum ersten Mal in seinem verkorksten Leben verspürte er Mitleid mit jemandem, der anscheinend ein noch schlimmeres Leben hatte.
Er wachte auf. Was für ein Alptraum! Im matten Licht der Straßenlaterne, die vor dem Fenster seines Pensionszimmers stand, konnte er den Wecker erkennen. 2.25 h, in fünf Minuten hätte er eh geklingelt. Er schaltete den Wecker aus und zog sich an. Zehn Minuten später war er im Park. Er hatte es nicht weit bis dort, und in einer Nacht wie dieser, war es recht angenehm spazieren zu gehen. Er kauerte sich hinter einen großen Busch und wartete.
Ah, da kam schon jemand. Um die 40; blond und dick. Er nahm nur Frauen die nicht zu alt waren. Diese ging gerade noch. Zack! Schon war sie sein Opfer. Wie eine gefräßige Spinne wickelte er den Faden um sie und zog zu. Die Frau, die langsam realisiert hatte was passiert war, zappelte wie eine hilflose Fliege im Netz. Der Ausdruck in ihren Augen gab ihm eine wohliges Gefühl von Befriedigung. Er konnte ein irres Lachen nicht unterdrücken. Als die dicke Fliege vor Angst fast Ohnmächtig war, verwandelte sich ihr Gesicht in das des Mädchens. Erschrocken ließ er los und rannte weg. Wenn ihm das jetzt jedesmal passiert! Was hat das Leben noch für einen Sinn, wenn man keinen Spaß mehr an seinem Hobby hat? Dann könnte er sich ja gleich der Polizei stellen. Die Trottel versuchten schon seit Ewigkeiten ihn zu schnappen. In Gedanken versunken ging er nach Hause und legte sich schlafen.
Bald schon kommt die nächste Nacht...

 

Martina Fritsche 1998